Die Geschäftsleiterhaftung nach § 15 b InsO
I. Pflichten des GmbH-Geschäftsführers
1. Pflichten im Vorfeld der Insolvenz
1.1. Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes
§ 43 Abs. 1 GmbHG normieren die Pflicht des Geschäftsführers einer GmbH zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung ("Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters bzw. eines ordentlichen Geschäftsmannes"). Darunter versteht man die Sorgfalt eines treuhänderischen Verwalters fremder Vermögensinteressen in verantwortlich leitender Position.
Daraus folgt, dass die Geschäftsleitung laufend die Finanz- und Vermögenslage der Gesellschaft überwachen und die Insolvenzreife prüfen muss. Verfügt der Geschäftsführer einer GmbH nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse, die er für die Prüfung benötigt, hat er sich bei Anzeichen einer Krise der Gesellschaft unverzüglich unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einer unabhängigen, für die zu klärenden Fragestellungen fachlich qualifizierten Person beraten zu lassen.
1.2. Gebot der Kapitalerhaltung
Der GmbH-Geschäftsführer darf gemäß § 30 Abs. 1 GmbHG aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen keine Zahlungen an die Gesellschafter leisten, es sei denn, es besteht ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag oder der Leistung steht ein vollwertiger Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegenüber. Das Auszahlungsverbot erfasst dabei nicht nur Geldzahlungen, sondern Leistungen aller Art, denen keine gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht, also auch den Verzicht auf Forderungen gegen einen Gesellschafter oder die Tilgung von Gesellschafterschulden bei einem Dritten.
1.3. Pflichten bei Verlust der Hälfte des Stammkapitals
Bei einem Verlust in Höhe der Hälfte des Stammkapitals ist der Geschäftsführer gesetzlich verpflichtet, eine Gesellschafterversammlung einzuberufen.
2. Zahlungsverbote
2.1. Keine Zahlungen nach Insolvenzreife
Gemäß § 15b InsO dürfen Geschäftsleiter - dazu gehören auch GmbH-Geschäftsführer - nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Feststellung der Überschuldung keine Zahlungen zu Lasten der Gesellschaft mehr vornehmen, es sei denn, diese sind mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar. Der Begriff der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes orientiert sich in diesem Zusammenhang allein am Gläubigerinteresse und setzt voraus, dass die in Frage stehende Zahlung für die Gläubigergesamtheit mehr Vorteile als Nachteile mit sich bringt. Erfasst sind nicht nur Zahlungen im engeren Sinne, sondern Leistungen aller Art die zu einer Schmälerung der Insolvenzmasse führen.
Der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes entsprechen zum Beispiel Zahlungen, die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs notwendig sind, wenn innerhalb der dreiwöchigen Antragsfrist ernsthafte Sanierungschancen bestehen oder die Betriebsfortführung für die Insolvenzmasse günstiger ist als eine sofortige Einstellung. Privilegiert sind danach in der Regel Zahlungen zur Begleichung der laufenden Wasser-, Strom-, Heiz-, Lohn-, Miet- und Steuerschulden.
2.2. Keine Zahlungen an Gesellschafter, die zur Zahlungsunfähigkeit führen
Unter das Zahlungsverbot fallen auch Zahlungen an Gesellschafter, die zwar vor Eintritt der materiellen Insolvenz getätigt wurden, aber zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten, es sei denn, dies war auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes im Sinne der Vorschrift nicht erkennbar. Die Zahlung muss zur Zahlungsunfähigkeit geführt haben, d.h. sie muss ursächlich für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit gewesen sein. Dem Gesellschafter gleichzustellen sind Dritte, die mit dem Gesellschafter verbunden sind, sodass die Zahlung ihm mittelbar zugutekommt.
3. Insolvenzantragspflicht
Für den Fall des Eintritts der Insolvenzreife sind Geschäftsführer verpflichtet, ohne scnuldhaftes Zögern, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Vorliegend des Insolvenzgrundes, einen Insolvenzantrag zu stellen.
Die Geschäftsleitung trifft jederzeit die Pflicht, bei Verdachtsmomenten zu überprüfen, ob ein Insolvenzgrund vorliegt Fehlt der Geschäftsleitung zur Prüfung der Insolvenzreife die ausreichende Fachkenntnis, ist sie dazu verpflichtet, sich durch eine fachlich qualifizierte Person beraten zu lassen; unterbleibt die Einbindung, kann die Geschäftsleitung gegebenenfalls wegen der Stellung eines nicht rechtzeitigen oder nicht richtigen Insolvenzantrages haftbar gemacht werden.
II. Haftungsrisiken für Geschäftsleiter / GmbH-Geschäftsführer
Es bestehen gesetzliche Haftungsregelungen, die bei Verstoß gegen die vorstehend beschriebenen Pflichten zu einer Haftung der Geschäftsführer entweder gegenüber der Gesellschaft bzw. einem Insolvenzverwalter (sogenannte Innenhaftung) oder gegenüber den Gläubigern (sogenannte Außenhaftung) führt.
1. Haftung nach § 43 GmbH - Verstoß gegen die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes
Verstößt der Geschäftsführer schuldhaft gegen seine Pflicht, bei allen Handlungen die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes walten zu lassen, kann er sich gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG gegenüber der Gesellschaft schadensersatzpflichtig machen. Die Vorschrift dient in erster Linie den Vermögensinteressen der Gesellschafter. Eine Haftung des Geschäftsführers ist daher ausgeschlossen, wenn er mit Einverständnis oder auf Weisung der Gesellschafter handelt. Bei der Ermittlung des Verschuldens gilt ein objektiver Verschuldensmaßstab, d.h. auf persönliche Unerfahrenheit oder mangelnde Sachkenntnis kann sich der Geschäftsführer nicht berufen.
2. Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsregeln
Zahlt der Geschäftsführer einer GmbH das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter aus und handelt er hierbei schuldhaft, so haftet er der Gesellschaft gegenüber auf Ersatz des entstandenen Schadens. Dabei kann sich ein Geschäftsführer nicht auf eine entsprechende Weisung der Gesellschafterversammlung berufen, da die Kapitalerhaltungsvorschriften nicht dem Schutz der Gesellschafter, sondern in erster Linie dem Schutz der Gläubiger dienen. Die Höhe des (Schadens-)Ersatzanspruchs richtet sich zunächst nach der Höhe der geleisteten Auszahlung. Über die Anknüpfung an die allgemeine Sorgfaltshaftung (§ 43 Abs. 1 GmbHG) kann aber auch ein über den eigentlichen Vermögensabfluss hinausgehender Schaden zu ersetzen sein.
3. Haftung nach § 15b InsO
3.1. Zahlungen nach Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung
Der Geschäftsführer ist der Gesellschaft zum Ersatz geleisteter Zahlungen verpflichtet, wenn sie nach Eintritt der Insolvenzreife erfolgt sind und damit gegen das Zahlungsverbot verstoßen. Der Ersatzanspruch setzt ein Verschulden voraus, wobei leichte Fahrlässigkeit - ohne Rücksicht auf die individuellen Fähigkeiten des Geschäftsführers - genügt. Zu Lasten des Geschäftsführers wird das Verschulden vermutet, wenn eine vom ihm veranlasste Zahlung nach Eintritt der Insolvenzreife vorgenommen wird. Der Geschäftsführer hat diese Vermutung zu widerlegen.
3.2 Zahlungen an Gesellschafter, die zur Zahlungsunfähigkeit führen
Tätigt ein Geschäftsführer Zahlungen an Gesellschafter, die zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen, müssen sie der Gesellschaft die geleistete Zahlung ersetzen. Erbrachte Gegenleistungen des Zahlungsempfängers sind bei der Berechnung des zu ersetzenden Betrages zu berücksichtigen. Der Ersatzanspruch setzt ein Verschulden des Geschäftsführers voraus. Das Verschulden wird vermutet, d.h. der Geschäftsführer muss nachweisen, dass die Zahlung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar war, um einer Haftung zu entgehen.
3.3. Haftung wegen Insolvenzverschleppung - Haftung gegenüber der Gesellschaft bzw. gegenüber dem Insolvenzverwalter
Eine Haftung wegen Insolvenzverschleppung droht, wenn der Geschäftsführer bei eingetretener Insolvenzreife seiner Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages nicht fristgemäß nachkommt. Die Haftung gegenüber der Gesellschaft ergibt sich aus § 43 Abs. 1 GmbHG, weil die Unterlassung der Insolvenzantragsstellung nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar ist. Der Geschäftsführer bzw. Vorstand muss schuldhaft gehandelt haben. Der Geschäftsführer haftet auf den Schaden, der der Gesellschaft durch die verspätete oder unterlassene Stellung des Insolvenzantrages entstanden ist. Dieser kann darin bestehen, dass das Gesellschaftsvermögen aufgrund der Antragsverzögerung - insbesondere durch die Begründung neuer Verbindlichkeiten - weiter gemindert worden ist.
3.4. Haftung wegen Insolvenzverschleppung - Haftung gegenüber den Gläubigern
Daneben ist auch eine Außenhaftung des Geschäftsführers gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft möglich. Verstößt der Geschäftsführer gegen die Insolvenzantragspflicht, kann dies einen Schadensersatzanspruch wegen unerlaubter Handlung begründen, da die Insolvenzantragspflicht ein Schutzgesetz im Sinne des allgemeinen Deliktsrechts (§ 15a Abs. 4 InsO in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB) darstellt. Der Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht muss schuldhaft sein, wobei einfache Fahrlässigkeit ausreichend ist. Auch hier gilt, dass das Verschulden bei Vorliegen der objektiven Voraussetzungen (Vorliegen der Insolvenzreife und Ablauf der Antragsfrist) zunächst widerleglich vermutet wird. Die Haftung der Geschäftsführung gegenüber Altgläubigern (d. h. solchen, die bereits bei Eintritt der Insolvenzantragspflicht Gläubiger waren) umfasst den Ouotenschaden, also die Verringerung der Insolvenzquote durch die verspätete Insolvenzantragsstellung. Neugläubiger, die ihre Forderung erst nach Eintritt der Insolvenzantragspflicht erwerben, erhalten dagegen vom Geschäftsführer den vollen Schaden in Form des Vertrauensschadens, den sie dadurch erleiden, dass sie in Geschäftsbeziehungen zur insolventen Gesellschaft getreten sind oder diese Geschäftsbeziehung ausgebaut haben, ersetzt.